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Tipp Nr. 105 : Die vorsorgliche Abmahnung

Dasselbe Verhalten eines Arbeitnehmers kann bei bestimmten Sachverhalten entweder eine abmahnungswürdige Pflichtverletzung oder aber ein nicht abmahnungswürdiges Verhalten darstellen. Erscheint ein Arbeitnehmer z.B. alkoholisiert am Arbeitsplatz, stellt dies bei einem Arbeitnehmer, der kein Alkoholiker ist, eine Pflichtverletzung dar; bei einem alkoholkranken Arbeitnehmer darf hingegen in einem solchen Fall keine Abmahnung erfolgen. Strategisch ist es das Ziel des Arbeitgebers, arbeitsrechtlich korrekt vorzugehen, um für den Fall, dass beim Arbeitnehmer keine Besserung eintritt, eine eventuell Kündigung ordnungsgemäß vorbereitet zu haben.

Die falsche Strategie:

Strategisch falsch wäre es, immer davon auszugehen, dass es sich um einen alkoholkranken Arbeitnehmer handelt. Stellt sich später nach erfolgter personenbedingter Kündigung in einem Kündigungsrechtsstreit heraus, dass der Arbeitnehmer nicht an einer solchen Krankheit leidet, lag tatsächlich eine Pflichtverletzung vor. Nach entsprechender Vorbereitung durch eine erfolglose Abmahnung hätte man deshalb bei einem weiteren entsprechenden Vorfall allenfalls an eine verhaltensbedingte Kündigung denken können. Hinsichtlich der personenbedingten Kündigung wird der Arbeitgeber mangels Abmahnung unterliegen. Außerdem hat er auch den Betriebsrat nur zu einer solchen Kündigung eben nicht zu einer verhaltensbedingten Kündigung angehört.

Die richtige Strategie:

Strategisch richtig verhält sich ein Arbeitgeber in derartigen Zweifelsfällen, wenn er den Arbeitnehmer vorsorglich abmahnt. Im Beispielfall würde der Arbeitnehmer eine Abmahnung erhalten, in der beanstandet wird, dass er alkoholisiert zur Arbeit erschienen ist und deshalb nicht arbeitsfähig war. Gleichzeitig würde der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine Entziehungskur anbieten, um damit die richtige Reaktion für den Fall zu zeigen, dass der Arbeitnehmer alkoholkrank ist.

Ausf. Kleinebrink, Abmahnung, 3. Aufl. 2016 (erscheint im 4. Quartal 2016).