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Tipp Nr. 42: Die vorweggenommene Abmahnung

Eine verhaltensbedingte Kündigung ist regelmäßig nur dann sozial gerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuvor vergeblich abgemahnt hat. Außerdem ist die Abmahnung neuerdings auch im Rahmen der Interessenabwägung  von großer Bedeutung, wenn der Kündigungsgrund an sich aufgrund der Schwere der Pflichtverletzung keine solche Abmahnung erfordert.

Das Ziel:

Arbeitgeber möchten häufig nach einer Pflichtverletzung eines Arbeitnehmers kündigen und nicht erst eine Abmahnung erklären, um dann erst nach einer weiteren zumindest gleichartigen Pflichtverletzung kündigen zu können.

Die falsche Strategie:

Strategisch falsch wäre es, ohne eine notwendige Abmahnung eine verhaltensbedingte Kündigung zu erklären. Erhebt der Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage und obsiegt er, drohen dem Arbeitgeber hohe finanzielle Verpflichtungen unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs. Er muss dem Arbeitnehmer das Arbeitsentgelt nachzahlen, dass dieser verdient hätte, wenn er nach Ablauf der Kündigungsfrist bis zur Wiederaufnahme der Tätigkeit nach dem die gewonnenen Kündigungsschutzprozess gearbeitet hätte. Lässt sich der Arbeitnehmer trotz der für ihn günstigen Aussichten auf einen Vergleich vor Gericht ein, wird er dies regelmäßig nur dann machen, wenn der Arbeitgeber ihm eine Abfindung zahlt, die höher ist als die so genannte Regelabfindung, die bei den meisten Arbeitsgerichten bei einem halben Bruttomonatsentgelt pro Beschäftigung liegt.

Die richtige Strategie:

Die Abmahnung muss nicht zwingend erst dann erklärt werden, wenn der Arbeitnehmer eine Pflichtverletzung bereits begangen hat. Denkbar ist auch, den Arbeitnehmer bei bestimmten Pflichtverletzungen gleichsam im Voraus darauf hinzuweisen, dass ein bestimmtes, eindeutig bezeichnetes pflichtwidriges Verhalten schon dann den Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdet, wenn es zum ersten Mal vom Arbeitnehmer begangen wird (BAG 05.04.2001 EzA §626 BGB n.F. Nr.186)

Eine derartige vorweggenommene Abmahnung ist geeignet, den Kündigungsgrund „an sich“ vorzubereiten, sofern sie mit der Pflichtverletzung, die zur Kündigung führen soll, gleichartig ist. Ferner dient sie dazu, die im Rahmen einer verhaltensbedingte Kündigung notwendige Interessenabwägung zu Gunsten des Arbeitgebers zu beeinflussen. Sie ist geeignet, ein Vertrauen des Arbeitnehmers darauf, dass das gerügte Verhalten vom Arbeitgeber toleriert wird, nicht entstehen zu lassen. Dies kann nach der Aufwertung des Vertrauenskapitals im Rahmen der Interessenabwägung durch das BAG in Sachen „Emmely“ nunmehr für den Arbeitgeber von besonderer Bedeutung sein.

Die vorweggenommene Abmahnung muss nicht persönlich adressiert sein. Sie kann insbes. in einem öffentlichen Aushang erfolgen.

Beispiel: Der Arbeitgeber hängt am Schwarzen Brett des Betriebes ein Schreiben mit folgendem Inhalt aus: »Nach §5 Abs.1 Satz1 des Entgeltfortzahlungsgesetzes (EFZG) ist jeder Mitarbeiter verpflichtet, dem Arbeitgeber eine Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich anzuzeigen. Wir haben alle Mitarbeiter daher aufzufordern, bei einer Arbeitsunfähigkeit sich möglichst bereits vor Schichtbeginn, spätestens aber in den ersten Stunden der Schicht, telefonisch bei der Personalabteilung, Tel. …, zu melden und die Arbeitsunfähigkeit sowie deren voraussichtliche Dauer mitzuteilen. Dieselbe Verpflichtung obliegt dem Mitarbeiter auch, wenn eine Arbeitsunfähigkeit länger dauert als in der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung angegeben. Sollte ein Mitarbeiter gegen diese Anzeigepflicht verstoßen, ist der Bestand seines Arbeitsverhältnisses gefährdet.

Denkbar ist auch, eine solche vorweggenommene Abmahnung in den Arbeitsvertrag der Arbeitnehmer oder in einer Betriebsvereinbarung aufzunehmen.

Allerdings wird nicht bei jeder möglichen Pflichtverletzung eine vorweggenommene Abmahnung in Betracht kommen. Bei Schlechtleistungen wird es dem Arbeitgeber z.B. kaum gelingen, alle denkbaren Vertragsverstöße genau im Voraus zu benennen.

Weiterführende Literatur:

Kleinebrink, Handbuch zum Arbeitsrecht (HzA) Gruppe 5 Teilbereich 2 „Abmahnung“ Bearbeitung 11/2012 Rz. 1804ff.

Kleinebrink, BB 2011, 2617 ff.